Die HappyTimes-Kolumne des Schweizer Schriftstellers Claude Lachat.
No-Show
Er ist der Houdini der sozialen Szene, ein Chamäleon der Ausflüchte, der Meister des kurzfristigen Absagens. Der No-Showler.
Kein Interesse, keine Lust. Ich komme nicht, auch wenn ich um eine Einladung gebuhlt habe. No-Show ist die Kunst, einfach nicht zu erscheinen. Nach mir die Sintflut. Es gibt immer wieder neue Gelegenheiten und Einladungen.
Eigentlich, um das Unwort des Jahrhunderts zu nutzen, ist der Abend auf der Couch mit viel Netflix verlockender als der Anlass, für den der Organisator dutzende an Telefonaten geführt, Bestellungen für den Apéro und Abklärungen getroffen hat. Ich habe halt spontan keine Zeit.
No-Showler erklären gerne ihr Fernbleiben. Da gibt es jene, die geheimnisvoll absagen, so kreativ verpackt, dass keiner weiss, ob sie kommen oder nicht. Oder die, die zehn Minuten vor dem Anlass eine WhatsApp schreiben, stehe im Stau oder der Hund hat auf den Kalender gebissen, deshalb dachte ich, heute ist gestern. Oscar-Würdig auch das „spontane Meeting“, zu dem der Chef geladen hat. Kein Rauchsignal, keine Bremsspuren, nix!
Warum tun die Menschen sowas? Weil jeder Tag Gelegenheit bietet, irgendwo zu erscheinen, oder halt nicht? Das Glas Champagner hat nicht mehr den gesellschaftlichen Reiz, dass es mal hatte. Es gibt einfach alles im Überfluss. Viel zu viele Entscheidungen müssen getroffen werden oder ist es die Angst, etwas zu verpassen, das man am Ende doch nicht will?
Aber man hätte dabei sein können. Was würde wohl geschehen, wenn man schriebe: «Sorry, Dein Geburtstag können wir nächstes Jahr auch noch feiern, schick einfach wieder eine Einladung.» Man kann diese überaus sympathische Absage bequem digital absenden, man will nicht anrufen, weil, man könnte ja die Show stören. Und bereits reden wir von der digitalen Macht, die Besitz von uns ergriffen hat. Die digitale No-Show-Strategie erfordert jedoch zum Teil Fingerspitzengefühl. Beim Video-Call hat die Kamera, oh Schreck, gerade hats noch funktioniert, den Geist aufgegeben. Zwischendurch ein «ich bin einverstanden» oder ein «👍» posten, ist immer noch besser als der ganzen Show beizuwohnen.
Und dann gibt es noch die absolute Königsdisziplin der No-Showler, wenn er oder sie nach Tagen – so als wäre nichts gewesen – beifällig fragt: «War der Anlass gut?», gefolgt von einem schwachen «schade, dass ich es nicht geschafft habe.» Ich erwidere nichts. No-Show.
Dass diese Menschen Kosten, Aufwand, Freude und Erwartungen ignorieren, scheint in der Zeit, wo Stil und Anstand mehr und mehr an Boden verlieren, einfach zum gesellschaftlichen Ton zu gehören. Wobei, eine Komponente könnte ich noch als schwaches Argument anführen: Menschen treffen Menschen, weil Menschen sich immer weniger mit Menschen treffen. Wäre das etwas für Sie? Einfach deshalb, weil Sie eingeladen wurden?
Das Worst-Case-Szenario der No-Shows in diesem Kontext wäre allerdings unsere eigene, unsere letzte Show, und das möchte niemand: einer geht und keiner kommt. Also meine Lieben, geniessen Sie es, Mensch zu sein.
Website von Claude Lachat: www.claude-lachat.ch
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Bilder: © Claude Lachat