Claude Lachat – „Weil Grün so schön ist“ – Kolumne des Schweizer Schriftstellers


Die HappyTimes-Kolumne des Schweizer Schriftstellers Claude Lachat. 

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Weil Grün so schön ist

Heute soll es ein besonderer Tag werden. Ich plane einen Ausflug ins Grüne! Damit dieser Tag etwas wirklich Einmaliges wird, sind natürlich ein paar Regeln einzuhalten. Nicht, dass ich mir ab dem Flight shaming Sorgen machen müsste. Ich reise natürlich mit dem Fahrrad. Ok, eine kleine Hilfe gönne ich mir dann schon: es wird ein E-Bike sein. Das bisschen Strom wird die Umwelt schon vertragen. Auf meinem superschnellen Rechner plane ich die schönsten Fahrradwege, abseits der überfüllten und stinkenden Autobahnen. Das bisschen Strom für den Laptop wird die Umwelt schon vertragen. Mein Anbieter hat mir versichert, ich würde grünen Strom beziehen. Naja, wie auch immer der aussieht. 

Leider wohne ich derart ab vom Schuss, nämlich im Grünen, dass selbst der Weg zum Bahnhof mit dem Fahrrad zu weit ist. Ich habe ja nicht den ganzen Tag Zeit! Also flugs eine günstige Variante bis kurz vors Ziel wählen. Die Bahn! Das bisschen Strom wird die Umwelt schon vertragen. Dennoch leiste ich mir einen kleinen CO2 Teufel, nebst meinem guten Vorsatz, sauber zu bleiben. Weil der Bahnhof so weit weg ist, wie erwähnt, ich wohne im Grünen, packe ich mein Bike in den Kofferraum und fahre die paar Meter mit dem Auto. Das bisschen Benzin wird die Umwelt schon vertragen. Meinen Reiseproviant habe ich in meine sensationell selbstkühlende Fahrradbox gepackt. Gab es als Aktion bei Ali. Alles halb so schlimm, die paar Flugmeilen wird die Umwelt schon vertragen. Habe ja nur eine Box bestellt.

Worauf ich natürlich stolz bin, ich habe kein Fleisch eingepackt. Nur Obst und Gemüse vom Bio-Bauer. Das nicht alle Bauern Bio produzieren, wundert mich. Meiner macht es! Leider ist sein Hof so weit von mir entfernt, dass ich es nicht mit dem E-Bike schaffe. Ich bekomme das ganze Grünfutter nicht in meine Ali-Kühltaschen. Also nehme ich den Bus, so wie sich gehört. Das bisschen Diesel wird die Umwelt schon vertragen. Nun stehe ich am Bahnhof und warte auf den Zug, der wie immer Verspätung hat. Der Kluge reist im Zuge, der noch Klügere checkt sein Handy und erfährt auf die Minute genau, wann die Bahn einfährt, oder nicht. Zum Zeitvertreib spiele ich Tetris auf meinem neuen Handy. Die paar Strahlen wird die Umwelt schon vertragen. Und was das Silizium angeht, ich spende jedes Jahr für Afrika, damit die Kinder da nicht so schwer schuften müssen. Haben die mir von der Hilfsorganisation versichert.

Der Zug kommt nicht und es fängt an zu regnen. So ein Mist. Ich habe keine Lust mehr und will heim. Weit komme ich nicht. Auf einem fiesen Zebrastreifen rutsche ich in die nächste Ecke und demoliere mein Bike. Das wird wohl nichts mehr mit radeln. Ich winke dem nächsten Taxi und verstaue Bike, Kühlbox und meine lädierten Knie in der Blechdose. Wegen der Überschwemmungen muss das Taxi einen Umweg über die Autobahn nehmen. Grauenhaft. Statt im Grünen stehe ich mit hunderten, was sage ich, mit tausenden Umweltsündern im Stau, nur weil die zu faul sind, die Bahn oder das Fahrrad zu nehmen! 

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