Die HappyTimes-Kolumne des Baselbieter Schriftstellers Claude Lachat.
Knochenarbeit
Wie war das noch mal als Baby? Vom Wickelbrett wäre ich gefallen, so die Erzählung und die Erklärung, weshalb damals keine Knochen brachen: Die waren in den ersten Lebensjahren sowas von elastisch. Ob’s schmerzhaft war? Keine Ahnung. Die Knochen trugen keinen Schaden davon. Wobei ich ja nicht weiss, was zuerst aufschlug, die Knochen oder der Kopf. Erst viel später wurde mir überliefert, dass ich auch das eine oder andere Mal gegen irgendeinen Pfosten lief. Ich habe mir zwar keine Knochen gebrochen aber wenn Sie mich fragen ob ich Schmerzen hatte: wahrscheinlich schon. Kopfschmerzen. Versichert wird mir zudem bis heute, dass man mir nichts anmerkt, das mit den Pfosten.
Wovon ich jedoch Ahnung hatte, war auf Bäume mit dürren Ästen zu klettern. Möglichst hoch hinauf und schnell wieder hinunter wobei schon mal der Ellbogen vor den Füssen auf dem harten Boden aufschlug. Ob’s schmerzhaft war? Oh ja! Nichts mit Elastizität der Knochen. Einen sauberen Bruch habe ich mir da eingefangen. Der Gips danach hielt genau fünf Minuten durch. Nicht weil der Gipser gepfuscht hätte. Nein, schuld waren die Saubermänner. Wäre der Korridor nicht so spiegelblank geputzt gewesen, hätte ich auch nicht die Denise Biellmann Pirouette in Perfektion aufs Parkett gelegt. Behaupte ich. Ob’s schmerzhaft war? Oh ja! Rechtsumkehrt, hallo Herr Doktor, da bin ich wieder. Weg mit dem neuen Alten und rauf mit dem neuen Gips.
Lange haben Sie danach gehalten, die Knochen. Bis sie älter wurden und ich die Dinger mit meiner Tochter auf deren Kalkgehalt testete. Natürlich im Winter bei besten Schneeverhältnissen. Auf dem Schlitten, auf dem Idiotenhang, auf einem flachen, natürlich bei perfektem Wetter. Blau war der Himmel, das wusste ich noch, bis es mich nach gefühlten hundert Metern und in Wirklichkeit nach zwei Metern ab dem Kufenmonster geschleudert hat. Bis es mir den beinharten Davoser ums Bein wickelte und Schien- und Wadenbein in Sekundenbruchteilen mit einem trockenen „klack,klack“ sauber trennte. Ob’s schmerzhaft war? Ohhhhhh ja! Das Blau des Himmels verwandelte sich innert Sekunden in ein schwarzes Loch mit lauter funkelnden Sternen. Meine Tochter blieb heil und fand meine Stunt-Einlage lustig. Ihre Knochen waren so was von elastisch und ihre Augen sowas von gross als sie die kreuz und quer liegenden Knochen sah.
Heute fliege ich nicht mehr vom Wickelbrett, von dürren Bäumen oder vom Davoser-Schlitten, höchstens von der Sonnenliege auf der Aussichtsterrasse nach einem Kaffi Luz. Heute habe ich keine Zeit meine Knochen zu strapazieren, weil ich hart arbeite. Aber nicht auf dem Bau. Glauben Sie mir, das ist Knochenarbeit. Wobei, so ganz in Ruhe lassen mich meine Knochen nicht. Manchmal melden sie sich von selbst, ohne dass es mich durch die Gegend schleudert.
So, genug für heute, ich verspüre einen kleinen Hunger. Ich brauche unbedingt etwas zwischen die Knochen. Heute Abend wird gegrillt. Ich freue mich jetzt schon auf den Güggel, weil ich doch so gerne am Knochen nage.