Die HappyTimes-Kolumne des Baselbieter Schriftstellers Claude Lachat.
Der Tramfahrer
Ich bin kein Tramfahrer. Tram fahren erspart einem zwar Stress, Parkplatzsuche und den ständigen Blick auf die Uhr, ob die Zeit reicht. Trotzdem scheue ich das Tram. Diese Büchsen sind immer voll, mit Menschen, mit Geruch, selbst die Sitzplätze sind toujour besetzt. Ich bin dennoch Tram gefahren.
Artig habe ich mich mit gebührendem Abstand vor die Türe gestellt und die Aussteigenden aussteigen lassen. Ich war der Letzte der den Weg ins Tram gefunden hat, denn die Meute hat sich seitlich an mir vorbeigedrückt. Drinnen war es richtig gemütlich. Die Scheiben waren so beschlagen, dass ich den Nebel draussen nicht erkennen konnte. Vielleicht lag es auch an der schwitzenden Achselhöhle eines Gastes, der sich an den Haltegurten über unseren Köpfen festklammerte. Neben mir versuchte einer mit der linken Hand sein riesiges Sandwich mit Salat, Huhn, Ei, Gurke und Cocktailsauce zusammen zu halten, damit die Pampe nicht in alle Richtungen spritzte. Den rechten Ellbogen rammte er mir, natürlich unabsichtlich, in die Rippen und zwar jedes Mal wenn er mit seinem fettigen Papier erfolglos versuchte, seine klebrigen Mundwinkel zu erreichen. Einen Sitz konnte ich nicht ergattern, wobei ich in jeder Kurve eine sitzende Haltung einnahm. Immer genau dann, wenn mich der Kinderwagen hinter mir in die Kniekehlen traf.
Dem armen Kinde machte das auch keinen Spass, kein Wunder aus dieser Froschperspektive. Oder es roch dasselbe wie ich und blickte sich mit mir nach dem Übeltäter um, obwohl wir beide ganz genau wussten, wer es war. Ein prägnanter Duft nach Eau de Pipi und Caca Intense liess uns beiden die Augen tränen. Ich drückte mich mitten in dieser Kuschelecke an den Herrn vor mir und überlegte mir, was wohl die vielfarbige Akne auf seinem schwülstigen Hals von meinem erstarrten Blick hielt, denn die Tröpfchen die mir entgegen spritzten stammten nicht von ihm, sondern von der adretten Blonden links, welche just in dem Moment niessen musste, als das Tram abrupt bremste. Klar benötigt man in diesem Moment beide Hände um sich zu halten und nicht um sich den Mund zuzuhalten. Ich stöhnte kurz auf, nicht wegen der Dusche, sondern wegen dem Absatz der sich in meinen Fuss bohrte. Ich musste wenigstens keinen Halteknopf drücken. Nicht wegen der vielen kleinen Bazillen die sich darauf tummeln. Nein, mein Arm war zu kurz um da ran zu kommen und wegen der Dame, welche die zwei vollbepackten Einkaufstüten wie einen Schutzwall an sich drückte. Ich zwinkerte der welken Lauchstange zu welche skrupellos versuchte, sich in meine Brust zu bohren. Es krächzte und schepperte aus dem Lautsprecher wobei ich auch so wusste, ich will hier raus! Die frische Luft strömte durch die geöffneten Türen und es drängt sich herein, wer eigentlich warten müsste bis die draussen sind, die aussteigen wollen. Das Kind im Wagen, der Lauch in der Tasche, die Akne im Genick und der Schuh auf meinem Fuss drehten und wendeten sich solange, bis die Türen schlossen. Das nächste Mal fahre ich Bus! !