Claude Lachat – „Entschuldigung!“ – Kolumne des Schweizer Schriftstellers


Die HappyTimes-Kolumne des Schweizer Schriftstellers Claude Lachat. 

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Entschuldigung!

Wir sind alle nur Menschen. Menschen mit den unterschiedlichsten Bedürfnissen. Meine Bedürfnisse unterscheiden sich wahrscheinlich nicht im Geringsten von denen anderer. Morgens zum Beispiel, da habe ich das Bedürfnis Kaffee zu trinken. Alleine schon der Geschmack lässt mich wach werden. So auch letzthin, als ich schlaftrunken das schwarze Gold aus der Maschine gepresste habe. Ein Blick auf die Uhr erschreckt mich, bin ich doch viel zu früh aus den Federn gehüpft. Was soll’s. Entschuldigung Claude, du hättest länger schlafen können. Ich fahre kurzerhand eine Stunde zu früh ins Büro, mag da zu Hause nicht die Zeit absitzen. Kaffee hin oder her. 

Unterwegs kommt mir in den Sinn, dass ich meine Tochter zu Hause vergessen habe. Habe ihr versprochen, sie mitzunehmen. Entschuldigung, die Zeit war einfach nicht reif, in der Früh nebst der Maschine das Hirn einzuschalten. Die Strafe folgte auf dem Fuss. Ein Grummeln im Bauch lässt mich nicht in Ruhe. Obs das Essen vom Vorabend war, ich weiss es nicht. Eines ist jedoch sicher, die Zeit wird knapp! Zurück nach Hause geht nicht, da viel zu weit. In meinen kühnsten Träumen kommt es mir nicht in den Sinn, dass jetzt etwas in die Hose geht. Ich versuche mich nicht zu bewegen und jeder Unebenheit auf der Strasse auszuweichen. Du meine Güte, kennen Sie dieses Gefühl? Mitten auf der Strasse anzuhalten, das tue ich mir nicht an. Schon gar nicht auf der Autobahn. Fieberhaft überlege ich, wie ich das alles loswerde, was mich da gerade in eine besch…. Situation bringt. Ich rufe meinen Termin an. Entschuldigung, es könnte sein dass ich mich verspäte. Wenn’s der Teufel will, komme ich gar nicht. Ich ernte Verständnis und kneife alles zusammen, was die Backen hergeben. Die Rettung naht, ich nehme Kurs auf den Bahnhof. Bloss nicht an das Wort Toilette denken. Vor der Einfahrt ins Parking malträtieren mich zwei Bodenschwellen. Unerträglich was jetzt in mir abgeht. Ich nehme das teure, in Toiltettennähe gelegene Parkhaus. Der Parkschein kommt gefühlte Stunden nicht aus dem Schlitz. Parkhaus voll. Hinterste Reihe. Bravo! Wie komme ich unbefleckt aus dieser Nummer? Ich versuche an Nichts zu denken und schaukle wie ein Esel auf dem Glatteis den erlösenden Toiletten zu. Nur noch wenige Meter. Ich schaffe das nie! Da, das Drehkreuz lässt sich mit zwei Franken öffnen. Mit einem glänzenden Fünfliber möchte ich im Boden versinken. Das darf nicht wahr sein! Mittlerweile würde ein Mückenstich reichen, mich wegen öffentlichem Ärgernis verhaften zu lassen. Vorsichtig, ganz vorsichtig zwänge ich mich unter den missbilligenden Blicken der Reinigungskraft durch das enge Kreuz. Es ist 1 Sekunde vor zwölf. Noch ein paar Schritte. Ich denke an eine grüne Wiese mit weissem Pferd. Bitte lass eine Kabine frei sein! Entschuldigung meine Damen. Es war eine Notsituation. Nie hätte ich mich im Bereich der Damentoiletten in die Kabine gezwängt und dabei die bereits wartende Dame zur Seite gedrängt. Entschuldigung! Ich bin erleichtert.