Rede von Bundesrat Burkhalter an der Nacht der Nominationen für den Schweizer Filmpreis

Solothurn, 26.01.2011 – Bundesrat Didier Burkhalter hat in einer Rede anlässlich der Nacht der Nominationen für den Schweizer Filmpreis im Rahmen der Solothurner Filmtage, die Filmbranche zur verstärkten Zusammenarbeit aufgerufen. Der Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern zeigte sich erfreut über das Filmjahr 2010 und optimistisch für das zukünftige Schweizer Filmschaffen.

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In seiner Rede zeigte sich Bundesrat Burkhalter erfreut über die Fortschritte in der Filmpolitik. Man schreite zwar langsam, aber gemeinsam Schritt für Schritt voran. Er habe Vertrauen in die Filmbranche. Diese müsse aber auch Vertrauen in sich selber haben.

Des Weiteren zeigte sich der Schweizer Kulturminister erfreut und stolz über die guten Zahlen des Schweizer Films im vergangenen Jahr. Zum einen hat der Marktanteil der Schweizer Filme zugenommen (um 1.6% auf 5.4%). Zum anderen hat sich das Filmschaffen durch eine grosse Angebotsvielfalt ausgezeichnet. Das Schweizer Filmschaffen sei vielfältig und lebendig.

Für die kommenden Monate stellte Bundesrat Burkhalter die Ernennung des neuen Sektionschefs / der neuen Sektionschefin Film in Aussicht. Zudem erwähnte er, dass die Arbeit an den Filmförderungskonzepten ab 2012 im Fokus stehe und rief die Branche auf, sich mit konstruktiven und kreativen Vorschlägen in den Prozess einzubringen.

Wir drucken hier die gesamte Rede von Bundesrat Burkhalter zum Nachlesen ab:

«Kleines Zimmer mit Ausblick (auf die Zukunft)» Rede von Bundesrat Didier Burkhalter

„Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrter Herr Direktor,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Filmschaffende

Es ist eine Ehre und auch eine Freude, heute Abend wieder bei Ihnen in Solothurn zu sein und mit Ihnen die Nominationen für den Schweizer Filmpreis, den ,Quartz 2011″, zu feiern.

Die Solothurner Filmtage, die Werkschau des Schweizer Films, lancieren traditionellerweise das neue Filmjahr. Ich bin gespannt und freue mich auf die Filme, die uns das Filmjahr 2011 bescheren wird – so wie ich natürlich gespannt bin, welche Filme in wenigen Minuten für den Schweizer Filmpreis nominiert werden.

Fast auf den Tag genau vor einem Jahr habe ich die Solothurner Filmtage kennengelernt. Gleichzeitig habe ich auch die Welt des Schweizer Films entdeckt. Nicht den Film oder das Kino an sich, denn seit Kindsbeinen liebe ich das Kino. Vielmehr habe ich das Umfeld kennengelernt, in dem diese Filme entstehen, und die Akteure der Branche getroffen; ein Umfeld, das paradoxerweise gleichzeitig das leben der Filmszene ist.

Vor einem Jahr hat man mir einiges über die Schweizer Filmszene gesagt. Man wollte mich warnen und mich vorbereiten. Der Schweizer Film sei Synonym für endlose Konflikte, Spannungen ohne Ende und erbitterte interne Kämpfe. Kurz: ein veritables Minenfeld.

All dies habe ich nicht vorgefunden, als ich vor einem Jahr Solothurn und die Schweizer Filmszene kennen gelernt habe. Ich spürte nicht unbedingt Spannungen, sondern vielmehr eine Unsicherheit, viele Fragen, Hoffnungen, Erwartungen sowie kreative Ungeduld. Und ich spürte auch, dass man für die Arbeit, die ein wenig anders ist als in anderen Berufen, anerkannt werden will; ganz einfach der Wille vom Filmschaffen leben zu können.

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Nun ist also ein Jahr vergangen und ich bin wieder in Solothurn. Und das freut mich. Einerseits, in Solothurn zu sein. Andererseits aber auch, weil ich mit meiner Einschätzung nicht ganz unrecht hatte! Die Schweizer Filmszene ist kein Kriegsschauplatz; obwohl gewisse Scharmützel ausgetragen werden, die niemandem etwas bringen. Die Filmwelt zerstört nichts, sie erschafft schöne Dinge, weckt Emotionen, und sie begnügt sich nicht damit nachzudenken, sondern sie regt zum Nachdenken an.

Mit Mut schafft sich der Film – oft gegen den Strom – Szene um Szene seinen Platz. Einen ,kleinen Platz“ zwar, gemessen an der weiten Welt. Aber wie im Film La Petite Chambre, in welchem ein kleines Zimmer auf ein gewünschtes Kind wartet und einen unerwarteten alten Mann aufnimmt, kann dieser ,kleine Platz“ wesentlich und berührend sein. Durch den Film kann man dem Unerklärlichem näher kommen; dem Leben und seinen vielfältigen und verstrickten Gefühlslagen.

Erfolgreiches Filmjahr 2010

Meine Damen und Herren, ich bin sehr zufrieden und stolz auf die Leistungen des Schweizer Filmschaffens im Jahr 2010. Die Arbeit des letzten Jahres zeigt: Das Schweizer Filmschaffen ist vielfältig und lebendig!

Wenn sich das Filmjahr 2011 am letzten Jahr ein Vorbild nimmt, dann können wir uns auf schöne, interessante, bewegende Schweizer Filme freuen! Der Blick in das Programm der Solothurner Filmtage macht mich jedenfalls neugierig und ich freue mich, wieder auf filmische Entdeckungsreise zu gehen!

Auch aus einer objektiveren Warte als meiner, war das Filmjahr 2010 für das hiesige Filmschaffen sehr erfolgreich: Zum einen hat sich das Publikum mehr einheimische Filme angeschaut als in den Jahren davor.

Zum anderen war das Jahr durch eine grosse Angebotsvielfalt gekennzeichnet. Und wichtig: Das Publikum honoriert dies mit zahlreichen Eintritten. Der Erfolg verteilt sich jedenfalls auf mehr Filme als in den Jahren zuvor. Künstlerischer Anspruch und Erfolg an der Kinokasse lassen sich also sehr wohl kombinieren.

Des Weiteren wurden letztes Jahr nicht weniger als 64 Schweizer Filme an wichtige internationale Filmfestivals eingeladen – und vor knapp einer Woche hat der Schweizer Film am Nachwuchsfestival in Saarbrücken regelrecht abgeräumt und gleich fünf Preise gewonnen. Und schliesslich verweise ich auf La Petite Chambre, den Schweizer Beitrag für den diesjährigen Oscar. Auf meiner persönlichen Oscar-Liste steht dieser Film weit oben!

Liebe Filmschaffende, wie Sie sehen: Der Schweizer Film und jene, welche diese Filme machen – also Sie – brauchen sich nicht zu verstecken! Authentische Filme, die uns inspirieren, bewegen und unsere Seelen berühren, kommen an und haben national und international Erfolg! Frei und authentisch, das ist das Wichtigste!

Filmpolitische Fortschritte

Ich bin auch auf dem Weg dazu, mit dem Stand der Dinge in der Filmpolitik zufrieden zu sein. Wir machen Fortschritte; langsam zwar, aber gemeinsam. Nicht mühelos, aber konkret. Es ist keine Revolution, aber eine positive Evolution.

Meines Erachtens gibt es zwischen der Filmpolitik und der Herstellung eines Films viele Parallelen: Man muss eine Idee entwickeln, diese präzisieren, Rollen besetzen, viele Szenen drehen, diese richtig selektieren und ordnen, um Schnitt und Ton besorgt sein und viele kleinere oder grössere Baustellen im Auge behalten; und man braucht – neben Geld – viel Geduld, sowohl, um einen Spielfilm zu machen als auch in der Filmpolitik!

Im letzten Jahr haben wir ein Ziel und einen Grundsatz definiert: das gemeinsame Ziel ist ein erfolgreiches, vielfältiges, qualitativ hochstehendes authentisches Filmschaffen, welches das Publikum zum Vibrieren bringt.

Dabei gilt der Grundsatz, dass der Bund die Rahmenbedingungen schafft, damit sich die Kreativität entfalten kann. Die Rollen und damit auch die Verantwortlichkeiten sind also wie bei der Herstellung eines Films klar verteilt: Der Staat ist für verlässliche Regeln der Filmförderung besorgt, die Filmschaffenden sind für ihre Filme verantwortlich.

Eine Konkretisierung dieses Grundsatzes sind die Präzisierungen und Neuerungen der sogenannten ,Alltagsregeln“ – also die Regeln, welche das Zusammenspiel zwischen den Filmemachern und der Administration definieren.

Mit dieser Präzisierung wollten wir drei Ziele erreichen: Erstens war es uns wichtig, dass diese Regeln gemeinsam erarbeitet wurden. Zweitens sollten die Regeln klar und transparent sein. Drittens soll die Klärung das Terrain für die mittel- und langfristigen Herausforderungen bereiten. Konkret: Die Förderkonzepte ab 2012 sowie die Analyse, wie die Filmförderung längerfristig aussehen könnte. Wie im letzten Sommer angedeutet, könnten diese Überlegungen in Richtung eines Nationalfonds des Schweizer Films gehen.

In diesem Sinne ist es wichtig, dass die Szene ,Alltagsregeln“ sozusagen abgedreht und im Kasten ist. Zum einen soll dieser Schritt den Filmalltag aller Beteiligten erleichtern. Zum anderen kann nun am Drehbuch der Filmpolitik weitergeschrieben und können weitere Szenen gedreht werden!

Stärkung des Schweizer Filmschaffens

Die Förderung der Vielfalt des Films ist ein zentrales Anliegen. Das ist besonders in einem Land mit mehreren Sprachen und Kulturen von grosser Bedeutung. Die Filmfestivals spielen dabei eine wichtige Rolle. Hier können wir auf Entdeckungsreise gehen und auch Filme sehen, die nicht in den Verleih und damit nicht in die Kinosäle gelangen.

Die Bedeutung der Festivals geht über den Film hinaus. Die Festivals sind kulturelle Fixpunkte für eine Region und für die ganze Schweiz. Die Festivals sind so vielfältig wie der Schweizer Film. Da gibt es die kleinen Festivals wie Neuenburg, jene, die auf Kurz-, Animations- oder Dokumentarfilme spezialisiert sind wie Winterthur, Baden oder Nyon. Jene, die ein spezifisches und jene, die ein breiteres Publikum ansprechen wollen, wie Freiburg oder Zürich.

Und dann gibt es das Festival von Locarno als Fenster zur internationalen Filmwelt sowie Solothurn als Werkschau des Schweizer Films. Der Bund möchte diese Vielfalt fördern. Er hat deshalb sein Engagement für die Festivals verstärkt und die Unterstützung für die Jahre 2011-2013 um rund 10 Prozent erhöht.

Dem Ziel der Förderung der Vielfalt und der Stärkung des Filmschaffens in der Schweiz dient auch die Digitalisierung der Kinosäle. Hier wird das Departement bereits im laufenden Jahr aktiv mit einem Programm zur Unterstützung der Digitalisierung. Dies – und das ist alles andere als selbstverständlich – ohne die Kredite der Filmförderung zu tangieren. Ab 2012 wollen wir dieses Programm zusammen mit der Branche weiterführen. Auch hier ist Kreativität gefragt, um ein zukunftsweisendes Projekt auf die Beine zu stellen!

Liebe Filmfreunde, wenn ich auf das vergangene Jahr zurückschaue, stelle ich also fest, dass es einige Fortschritte zu verzeichnen gibt. Um in der Filmsprache zu bleiben: das Drehbuch steht und einige wichtige Szenen konnten gedreht und in die richtige Abfolge gebracht werden.

Der Film ist aber noch nicht fertig. Es bleibt noch genug Arbeit für alle Beteiligten!

Nächste Schritte und Vision für die Zukunft

Einer der nächsten Schritte wird die Ernennung einer neuen Sektionschefin oder eines neuen Sektionschefs Film sein. Es brauchte meines Erachtens eine gewisse Übergangszeit. Nun ist aber der Moment gekommen, die Mannschaft zu verstärken. Nicht nur das Team in der Sektion Film im Bundesamt für Kultur, sondern das Team im weiteren Sinn: Jene Equipe, die wir alle zusammen, mit Ihnen bilden, zur Förderung des Schweizer Films.

Im Übrigen wird in den nächsten Monaten die Arbeit an den Filmförderkonzepten ab 2012 im Fokus stehen. Der Fahrplan hierfür steht; im Juli sollen die Resultate dieser Arbeit vorliegen. Ich fordere Sie auf, sich mit konstruktiven und kreativen Vorschlägen in diesen, von Marc Wehrlin begleiteten Prozess einzubringen.

Ich bin auf das Resultat dieser Arbeit gespannt! Gespannt bin ich im Übrigen auch auf die längerfristigen Überlegungen in Sachen Filmförderung. Wie Sie wissen, habe ich hier die Vision einer Institution nach dem Vorbild des Schweizerischen Nationalfonds. Dieses Modell setzt aber voraus, dass die Filmbranche gewillt und fähig ist, mehr Verantwortung zu übernehmen.

Ich fordere Sie jedenfalls auch in diesem Bereich dazu auf, kreativ zu sein! Um beim Bild des Films zu bleiben: Dieses Projekt ist ein abendfüllender Spielfilm. Und das Drehbuch – das nur in Kooperation geschrieben werden kann – erfordert Mut und Fantasie.

Ich bin überzeugt, dass es uns gemeinsam gelingt, die anstehenden Etappen in der Filmpolitik erfolgreich zu meistern und die vorhandenen und zu entwickelnden Elemente zu einem tragfähigen Ganzen zusammenzusetzen; so wie es Ihnen immer wieder gelingt, interessante, berührende, anregende, erfolgreiche Filme zu kreieren.

Meine Damen und Herren, ich bin nun gespannt auf die Nominationen für den Schweizer Filmpreis 2011. Dieser wird, wie Sie wissen, zum letzten Mal von einer vom EDI eingesetzten Jury gewählt. Ab nächstem Jahr werden die Mitglieder der Schweizer Filmakademie die Preisträger direkt wählen; ein schönes Beispiel für eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Bund und Branche, das man mit einem Satz zusammenfassen kann: Haben Sie Vertrauen in sich, so wie ich Vertrauen in Sie habe!

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen eine schöne Nacht der Nominationen.“

 

Es gilt das gesprochene Wort