Neue Kolumne des Baselbieter Schriftstellers Claude Lachat: „Ich bin mal weg…“


Neue Kolumne des Schriftstellers Claude Lachat

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HappyTimes präsentiert Ihnen heute die neue Kolumne des Baselbieter Schriftstellers Claude Lachat:

Schriftsteller sucht Übernachtungsmöglichkeit um in Ruhe zu schreiben. Auf meine Annonce melden sich einige Interessierte. Gwunderig, wer denn da erscheinen würde. Ich habe mich für eine Einladung ins Verzasca-Tal entschieden. 

Ruhig, abseits gelegen. Kein Firlefanz wie Fernseher oder Waschmaschine. Selbst das Handynetz würde nur eingeschränkt funktionieren. Hört sich spannend an. Finden Sie nicht auch? Ich treffe meinen Gastgeber abends am Bahnhof in Giubiasco. Wir fahren direkt ins Valle Verzasca nach Vogorno. Das Dorf liegt am Stausee Lago di Vogorno. James Bond ist übrigens der berühmteste vom 220 Meter hohen Damm springende Bungee Jumper.

Die beginnende Nacht begrüsst uns mit einer leichten Dunkelheit. Aha, die Stirnlampe. Noch ist es nicht soweit. Schon bald erlebe ich mein persönliches Waterloo. Als geübter Bergbahnfahrer können mich 600 Höhenmeter nicht überraschen. Zu Fuss schon. Ich sag’s Ihnen, hätte der Wald gebrannt, ich wäre zur Stelle gewesen ihn im Angesicht meines Schweisses eigenhändig zu löschen. Dass mir mein Führer nicht auf die Zunge getreten ist, verdanke ich meiner Konzentration, nicht unter der Last meines Gepäcks zusammenzubrechen. Während solcher Momente verfluchen Sie sämtlichen Tabak auf der Welt. Mein Zimmervermieter vergeudet nicht einen einzigen Tropfen Schweiss. Kein Schnaufen entlockt ihm diese Tour der Kategorie T4. Er ist Marathonläufer. Toll, stelle ich keuchend wie ein Dampfross fest.

Mitten im Nichts stossen wir auf eine Hütte. Endlich Menschen, freut sich dieser Einsiedler und tischt nebst Panettone, Wein noch einen Grappa auf. Sein Gewehr steht wieder in der Ecke. Er hat uns als friedliebend erkannt. Ich sterbe. Sein Feuer in der Hütte gibt mir den Rest. Sie erraten es. Es war wirklich warm. Mit der Stirnlampe welche ich als mein Schweissband unbenannt habe erreichen wir, Sie und ich staunen, lebend die Hütte.

Der Schlauch mit eiskaltem Quellwasser animiert mich nicht mehr, textilfrei auf einer Granitplatte stehend zu duschen. Ein kurzer Kontrollblick. Meine Beine befinden sich noch da wo sie sein sollten.

Der nächste Tag entschädigt sämtliche Strapazen. Stille, Abgeschiedenheit. Die Zivilisation endet genau hier. Mein drittes Buch nimmt Formen an. Ich schreibe was das Zeugs hält. Etwas anderes habe ich nicht zu tun. Mein Hardcore-Läufer macht sich rar. Seine Schafe wollen betreut sein. Und die, die hüpfen wie er auf dem Berg von einem Fels zum anderen.

Ich vermisse kein Fernsehen, kein Telefon, keine Zeitung. Für mich steht die Welt still. Keine Krawalle, keine sich erklärenden Politiker. Ruhe. Ich vergesse das Resultat des letzten FCB-Spiels heraus zu finden. Selbst die angebauten Kartoffeln schmecken anders. In Freiheit gewachsen. Sie schmunzeln? Versuchen Sie es selbst. Schalten Sie ab. Entfliehen Sie der Zivilisation und erfahren Sie, wer Sie sind. Mister Lunge begleitet Sie sicher gerne.

Es ist nicht weit. Ich versichere Ihnen, diese Erfahrung liegt ganz nah.

 

Claude Lachats Krimi „Muttertag zum Ersten“

Claude Lachat ist Autor und Texter. Sein Krimi Muttertag zum Ersten (IL Verlag) ist ab sofort im Handel oder mit persönlicher Widmung unter www.claude-lachat.ch für CHF 19.20 oder €15.90 erhältlich (+ Versandkosten CHF 5.00 / € 7.00)

 

Quelle Bild: © claude-lachat.ch

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