Die HappyTimes-Kolumne des Schweizer Schriftstellers Claude Lachat.
Hör mal auf Dich selbst – Wenn das Ohr Feierabend macht
Es gibt Menschen, die kündigen. Andere wechseln das Büro, den Partner oder den Coiffeur. Mein rechtes Ohr? Hat sich für den radikaleren Weg entschieden: Es hat einfach aufgehört, mitzumachen. Zack. Hörsturz. Das klingt nach dem Moment, in dem mein Gehör plötzlich beschliesst, Ferien zu machen. Still, leise und heimlich – ohne mich zu fragen, ob’s mir gerade passt oder ob ich etwas hören will.
Ohne Vorwarnung, keine höfliche Mail – nur ein plötzliches „Pfffff“, ein Zischen wie ein beleidigter Wasserkocher und dann: Funkstille.
Erst dachte ich: Akku leer. Vom Ohr. Vielleicht habe ich versehentlich „Ohr aus“ gedrückt. Ich hab’s ein paar Mal angetippt. Nichts. Melden Sie sich beim Administrator. Ein ziemlich unhöflicher Move vom eigenen Körper. Stell dir vor: Du bist mitten in der Diskussion übers aktive Zuhören und plötzlich benimmt sich dein Öhrchen wie ein übel gelaunter Teenager im Hormonstress. Macht einfach die Schotten dicht. Tschüss!
Willkommen im Flüstermodus des Lebens.
Hörsturz wird gern auch „Schlaganfall des Innenohrs“ genannt. Dramatisch, oder? Da denkt man bei dem Begriff „Sturz“ an einen heldenhaften Fall mit doppelter Pirouette – dabei ist es eher wie ein plötzlicher Blackout auf einer Tonspur, die bis eben noch „ganz normal“ klang.
Ich stand da, mitten im Gedröhne, und dachte erst, mein Gegenüber flüstert wie ein geheimnisvoller Verschwörer der Hörgeräteindustrie. Tat er nicht. Mein Ohr hatte lediglich kein Gehör. Es pfeift auf alles was hörenswert wäre.
Doch sind wir ehrlich: Das Ohr hat’s nicht leicht. Es muss 24/7 Podcasts, nervige Kollegen, Insta-Soundtracks, das Geschrei von Kindern und den Wetterbericht auf Ear Island ertragen (gibt’s wirklich: eine stille Insel auf den Falkland Inseln). Und dann noch diese ständigen Zoom-Meetings mit Leuten, die zu nah am Mikro sitzen und klingen wie Darth Vader auf der Waschmaschine. Scheppern bekommt eine ganz neue Bedeutung.
Der Hörsturz ist der lautlose Anarchist des Innenohrs. Er sagt: “Bis hierhin und nicht weiter! Ich will Ruhe. Meeresrauschen statt Ohrensausen.“ Ab sofort nehme ich leise-, sorry, Reisespenden entgegen (nicht für mich, für mein Ohr). Der Arzt babbelte etwas von „Stress“, „Durchblutungsstörung“ und „unbedingt Ruhe halten“. Ich nickte verständnisvoll – wobei ich zu 80 % sowieso nicht gehört habe, was er geflüstert oder gebrüllt hat.
Werde ich nun Lippenleser?
Zurück zum Arzt. Ich durfte Cortison nehmen! Ein Medikament, das klingt wie ein griechischer Gott, aber wirkt wie etwas, das man in der Notaufnahme von Frankensteins Küche verabreicht bekommt. Trotzdem beruhigend. Nicht das Cortison – sondern die Tatsache, dass der Körper offenbar eine eingebaute Notbremse hat. Nur schade, dass er sich mit einem unbewilligten Streik Gehör verschafft.
Aber vielleicht steckt auch eine Botschaft darin. Vielleicht sagt mir mein Ohr:
„Mach mal Pause. Hör weniger auf andere. Hör mal auf dich selbst.“
Also meine Hörenden: Solltet ihr mir etwas zu sagen haben: schreibt.
Website von Claude Lachat: www.claude-lachat.ch
Bücher von Claude Lachat
Claude Lachats neuer Krimi „Tödliches Rezept – Muttertag zum Zweiten“

Claude Lachat ist Autor und Texter. Sein neuster Krimi Tödliches Rezept – Muttertag zum Zweiten (IL Verlag) ist im Handel unter der ISBN-Nummer 978-3-906240-27-5 erhältlich. Mit persönlicher Widmung des Autors auch per Email unter buch@claude-lachat.ch.
Auch als E-Book erhältlich unter:
info@il-verlag.com IL Verlag Basel
Krimi von Claude Lachat „Tödliches Rezept – Muttertag zum Ersten“

Claude Lachats Krimi Muttertag zum Ersten (IL Verlag) ist im Handel oder mit persönlicher Widmung unter www.claude-lachat.ch erhältlich.
Auch als E-Book erhältlich unter:
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Bilder: © Claude Lachat