Die HappyTimes-Kolumne des Schweizer Schriftstellers Claude Lachat.
Den kenne ich doch…
Es geschieht immer wieder: Man wackelt gemütlich ohne etwas – und vor allem ohne an jemanden zu denken durch die Stadt oder steht an der Kasse und plötzlich – zack! – fällt der Blick auf ein scheinbar bekanntes Gesicht. «Den kenne ich doch!», denkt man voller Überzeugung. Ich habe dieses Gesicht schon mal gesehen, jede Wette! Die Stirn runzelt sich wie bei einem Philosophen, der Blick klebt förmlich an diesem armen Menschen, der vermutlich einfach nur seine Brötchen kaufen will.
Und dann beginnt das innere Theaterstück: ist das der Typ von der Tankstelle, wie auch immer die heisst? Wohnt der im selben Quartier oder ist das der Bruder von dem immer behauptet wird, seine Schwester hätte ein Verhältnis mit genau diesem Typen gehabt?
Wir alle kennen es: ab einem gewissen Punkt starrt man beinahe so penetrant, dass man selbst gezwungen ist, zu lächeln. Und dann, dann lächelt diese Person auch noch zurück! Jetzt ist man definitiv gefangen im Roulette der unbekannten Namen. Denn wer zurück lächelt, muss ja jemand Bekanntes sein. An dieser Stelle würde ich von Euch gerne wissen, wie ihr Euch aus diesem Dilemma stehlt. Apropos bekannte namenlose Gesichter: nicht, dass ich jetzt Alzheimer hätte, aber ich wette, Euch geht es genauso. Zumindest manchmal.
Auf der Geburtstagsparty sind wir gezwungen – und das auch nur weil so wenig Gäste anwesend sind oder wir wieder einmal viel zu früh sind – jeden Einzelnen zu begrüssen. Mit Namen! Mit Handschlag! Ein Raum, drei Gäste! Kaum stehe ich vor dem ersten Bekannten den ich nicht mehr kenne, schon beginnt das soziale Stolpern. Ich schiebe meine Partnerin vor in der Hoffnung, sie kennt die Namen. Funktioniert nicht immer, auch nicht das dämliche Danebenstehen in der Erwartung, dass jemand den Namen ausspricht. Einfach nur Hallo sagen geht in diesem Fall nicht. Man hat einfach keine Zeit um zu überlegen. Man kann sich nicht einfach umdrehen, nach draussen gehen und erneut eintreten, diesmal natürlich mit dem Namen des Gastes im Gepäck.
«Na, altes Haus!», hört sich bescheuert und sehr deutsch an, zumindest in der Schweiz. «Na Du!», hört sich noch bescheuerter an und «Hallo» hat nicht sehr viel Stil. Mein Favorit: «Das ist aber eine schöne Überraschung Dich hier zu sehen», und ehe der bekannte Unbekannte reagieren kann, einfach herzlich umarmen. Wow! Tun Sie es allerdings nicht, wenn Sie diese Person erst zum zweiten Mal treffen. Könnte ein wenig peinlich werden. Gesten können viele Worte ersetzen, sagt man.
Der Höhepunkt dieses «Vergiss mein nicht»-Theaters ist dann das Gespräch, wenn man hofft, dass sich der Name irgendwie enthüllt. Aber das passiert nie. Nie! Die wahre Hölle beginnt jedoch erst, wenn man den Namen wirklich braucht. Wörter sind wie Passwörter: Man hat sie irgendwo gespeichert aber in dem Moment in dem man sie benötigt: Error! Try it again! Wo zum Henker sind diese Dinger? Man erinnert sich an Bruchstücke: «Irgendetwas mit H…, oder M… oder Sch…» und im Kopf dreht sich bereits das Glücksrad der Wissenden. Huber? Meier? Schiessmichtot?
«Den kenne ich doch» und Namen vergessen sind die wahren olympischen Disziplinen des Alltags. Trotz jahrelangem Training gewinnt keiner, alle schwitzen – und am Ende sagt man sicherheitshalber nur: «Wir sehen uns». Oder wir winken salopp in die Runde und murmeln völlig Unverständliches, bevor der Erste die Hand ausstreckt und sich persönlich verabschieden will. So gewinnt man keinen Blumentopf.
Wer die Kunst nicht beherrscht, sich an vergessene Namen zu erinnern, der muss einfach nur schnell sein und verschwinden, bevor das Desaster seinen Lauf nimmt.
In diesem Sinne liebe …ähhh…Gemeinde…hmmm…Leser…ihr wisst schon…vergesst mich nicht.
Website von Claude Lachat: www.claude-lachat.ch
Bücher von Claude Lachat
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Claude Lachat ist Autor und Texter. Sein neuster Krimi Tödliches Rezept – Muttertag zum Zweiten (IL Verlag) ist im Handel unter der ISBN-Nummer 978-3-906240-27-5 erhältlich. Mit persönlicher Widmung des Autors auch per Email unter buch@claude-lachat.ch.
Auch als E-Book erhältlich unter:
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Bilder: © Claude Lachat




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