„Glücksgefühle“ Kolumne des Baselbieter Schriftstellers Claude Lachat


Die HappyTimes-Kolumne des Schriftstellers Claude Lachat

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Als ich sie bestieg, durchströmte mich ein wohliges Gefühl. Ein meisterhafteres Drehbuch hätte ich wohl kaum inszenieren können. Ich ritt auf ihr wie ein Berserker. Alles an mir – und ihr – vibrierte! Ich kann Ihnen bezeugen, lustvollere Freizeitaktivitäten müssen Sie mir erst mal auf den Tisch legen. Was gibt es aufregenderes, als eng umschlungen eins mit seiner Geliebten zu werden. Selbst das Aufwachen am nächsten Morgen hinterlässt nachhaltige Spuren. Feuchte Hände, Muskelkater und das Gefühl, jeden einzelnen Muskel zu spüren.
„Na, wie war die Nacht?“, werde ich mit einem süffisanten Lächeln gefragt.
„Unbeschreiblich! Wusste gar nicht wie die abgehen kann. Ich hoffe es schneit mir keine Anzeige wegen Lärmbelästigung ins Haus!“
Genüsslich lecke ich mir über die Lippen und grinse vielsagend. Denn nun würde der Augenblick der Wahrheit kommen.

Sollte hier eine Lücke im Text zu erkennen sein – ich trockne mir gerade meine feuchten Hände.
Dann stand sie vor mir. Schlank, ohne ein Gramm zu viel auf den Hüften. Schnittig, wie sie sich erwartungsvoll vor mir präsentierte.
„Nimm mich! Reite mich!“
Ich konnte hören wie sie mich kokett anmachte. Jetzt oder nie! Ich würde sie endgültig in Besitz nehmen. Ihr zeigen wer der Meister ist!
Ohne mich um all die Spanner zu kümmern, welche uns beobachteten, schwang ich mich auf sie. Mit der einen Hand tätschelte ich liebevoll ihre jungfräuliche Flanke. Mit der anderen Hand steckte ich ihn da hinein, wo mich Lustvolles erwarten würde. Dann drehte ich ihn.

DEN Zündschlüssel!

Es verhielt sich genauso so, wie ich es geträumt hatte. Mit einem satten Brüllen meldete sich der Motor meiner Rennmaschine zu Wort und wartete darauf, die unzähligen Pferdchen in Bewegung zu setzen. Motorradfahren ist eine Leidenschaft. Ein Schuft, wer einige Zeilen zuvor anderes interpretiert hat. Glänzend, neu und ungezähmt hatte sie mir mein Mechaniker auf die Strasse hingestellt. Mit meinen dazumal zwanzig Lenzen gehörte diese Wuchtbrumme zu meinen kostbarsten Errungenschaften. Einige von Ihnen werden dieses hormongesteuerte Gefühl nachvollziehen können.
Meine erste Ausfahrt führte mich hin zu einem vollbesetzten, in Töfffahrer-Kreisen wohlbekannten Treffpunkt. In Reih’ und Glied verharrten sie da, in der Sonne glänzend. Ich gehörte nun dazu. Zu den ganz Grossen, die lässig mit der Hand im Vorbeifahren grüssten. Auch mich! Fast nicht geblufft, stelle ich mich in die vorderste Reihe. Jeder sollte es wahrnehmen, dieses Prunkstück. Mein erster Auftritt als John Wayne der Strasse. Das Kies unter meinen Stiefeln knirschte. Ich steige ab, wohlwissend, von unzähligen Strassenrittern beobachtet. Dass der Ständer meiner Dampfmaschine auf den Steinchen wegrutschte merkte ich genau in dem Moment, als ich das Gleichgewicht verlor und sich meine Geliebte in den Dreck legte.
Es gibt hier nichts zu Lachen!
Gott sei Dank hatte ich meinen Helm auf! Nicht dass er mich vor einem Aufschlag geschützt hätte. Nein, er bewahrte mich davor, der schadenfreudigen Meute mein hochrotes Gesicht vorzuführen. Ich kann Ihnen versichern: so flink wie ich hat noch keiner seine Maschine aufgestellt! Noch schneller war ich jedoch im abhauen.

Zig Jahre später stehe ich wieder davor. Nur diesmal zwinkert mir kein unbeflecktes Monster entgegen. Die Harley vor mir hat schon einige Jahre auf dem Buckel. Träge und urgemütlich lehnt sie sich auf ihrem riesigen Ständer auf die Strasse. Jawoll! Ein riesiger Ständer! Nicht zu verfehlen und schon gar nicht montiert, um weg zu rutschen! Das gigantische Grollen kommt mir bekannt vor. Es werden die zwei mutmasslichen Leerrohre sein, die einen gewaltigen Sound von sich geben. Alles an mir – in mir – vibriert. Ein Déjà-vu. Nur eine kurze Tour soll es werden. Einen Halt vor einem Treffpunkt mit Motorradbegeisterten ist nicht eingeplant. Ich bemerke keine feuchten Hände.
Die Nacht davor war ruhig. Nichts aussergewöhnliches. Ich werde auch nicht mit einem anzüglichen Schmunzeln gefragt, wie ich denn geschlafen hätte. In meinem Alter weiss man, dass die Nächte von Erfahrung geprägt sind. Die jungen Burschen auf ihren Höllenmaschinen, sie flitzen mir um die Ohren, lasse ich mit einem zufriedenen Grinsen vorbei rasen.
Es ist an der Zeit, die Natur zu geniessen. Mit meiner nicht renntauglichen Maschine und der den engen Kurven angepassten Geschwindigkeit geht das sehr gut. Kein Stress. Kein Gedanke verschwendet, mein Können unter Beweis stellen zu müssen. Glauben Sie mir, Harley verspricht, die Maschine ist geschenkt. Sie bezahlen einzig für das Gefühl, auf ihr zu gleiten! Obwohl, ab und an riecht es nicht wie früher nach Rennbenzin. Eher nach verbranntem Gummi. Nun gut, Harleys versprühen ihren eigenen Duft. Das Absteigen zu Hause klappt wie am Schnürchen. Ständer raus. Harley hält! Dass meine Schuhsolen am Auspuff kleben hat vielleicht etwas damit zu tun, dass ich unterwegs nicht angehalten habe. Irgendein zuvorkommender Töffkollege hätte mich wohl darauf hingewiesen. Was soll’s. Schuhe futsch, Harley steht. Der nächste Morgen kommt bestimmt.
 

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