Bern, 03.10.2011 – Die in der Verfassung verankerte Dienstpflicht hat schon seit Jahren einen schweren Stand. Nur knapp die Hälfte der jungen Schweizer absolviert einen Militär- oder Zivildienst von A bis Z.
Im heute veröffentlichten Bericht Le Contrat citoyen, ein Dienst für das Gemeinwohl, schlägt die Eidgenössische Kommission für Kinder- und Jugendfragen die freie Wahl zwischen den zwei Diensten vor. Die Dienstpflicht soll modernisiert werden, sodass die Jungen die Möglichkeit bekommen, sich sinnvoll für das Gemeinwohl zu engagieren.
Die allgemeine Dienstpflicht existiert nicht mehr
Nur 26’807 der 41’818 im Jahre 2010 aufgebotenen Stellungspflichtigen sind militär- oder zivildiensttauglich. Das entspricht gut 66 Prozent. Über 15’000 Stellungspflichtige des Jahres 2010 werden somit keinen Militärdienst oder zivilen Ersatzdienst leisten. Pierre Maudet, Präsident der EKKJ, hat diesen Umstand in Erinnerung gerufen und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass sich diese Entwicklung mit der anstehenden Verringerung der Anzahl Armeeangehöriger noch zuspitzen wird. Eine Armee mit 100‘000 Mann – rund die Hälfte weniger als heute – führt jedes Jahr zu einem Überschuss von Tausenden von Stellungspflichtigen.
Die Jungen wollen sich engagieren
Der grosse Erfolg des Zivildienstes seit der Einführung des Tatbeweises – 1’946 Gesuche im Jahr 2008, 7’213 im Jahr 2009 – zeigt, dass sich die Jungen für die Gemeinschaft einsetzen wollen. Aber eben nicht mehr unbedingt über die Armee, die an Attraktivität verloren hat, da die deren Aufgaben für die Jungen weniger nachvollziehbar sind. Fakt ist aber, dass der Grossteil der Bevölkerung und der Politik an der allgemeinen Dienstpflicht festhält. Die EKKJ schlägt die Einführung der freien Wahl zwischen Militär- und Zivildienst vor und will damit eine Gleichstellung in Bezug auf die Dienstpflicht erreichen.
Ein Vertrag zwischen den Jungen und der Gemeinschaft
Für die EKKJ ist es auch wichtig, den Militär- oder Zivildienst bestmöglich in die Ausbildung zu integrieren, damit die Jungen nicht benachteiligt sind, wenn sie im Arbeitsmarkt Fuss fassen wollen. Die Dienstpflicht sollte systematisch mit einem offiziellen Nachweis anerkannt werden. Indem die Jungen einen Dienst für das Gemeinwohl leisten, haben sie die Gewissheit, dass ihre Leistung anerkannt wird und ihnen einen Mehrwert bringt.
Mit dem Zivildienst die Herausforderungen des Landes meistern
Der Zustrom Tausender neuer Zivildienstleistender stellt für die Privatwirtschaft kein Problem dar, da dem Zivildienst spezifische Aufgaben übertragen werden. Im Gegenteil. Wenn dessen Funktionen noch ausgeweitet werden, könnte die Schweiz zahlreiche Herausforderungen bewältigen, insbesondere in der Energieversorgung und im Gesundheitswesen. Die Kommission geht sogar noch weiter und schlägt vor, den Zivildienst für junge Ausländer und Ausländerinnen zugänglich zu machen. Der freiwillige Einsatz hätte eine integrierende Komponente und könnte so die Erlangung der Schweizer Staatsbürgerschaft beschleunigen.
Ein realistisches System
Die freie Wahl zwischen den beiden Diensten dürfte auch in Bezug auf die Kapazitäten der Vollzugsstelle für den Zivildienst kein Problem darstellen. Letztere müsste sehr viel mehr neue Zivildienstleistende betreuen, aber angesichts des starken Zustroms, den sie bereits seit 2008 reibungslos bewältigte, scheint dies durchaus möglich. Die Landessicherheit, und somit die Armee, hätte weiterhin oberste Priorität. Eine Schutzklausel in der Verfassung würde dies garantieren.
Ein sinnvolles Engagement
Der Dienst für das Gemeinwohl würde den Zivil- und den Militärdienst in der Realität des 21. Jahrhunderts verankern, wobei lediglich eine Anpassung des bestehenden Modells nötig wäre. Damit würde auch der Grundsatz der Dienstpflicht, an dem sowohl dem Volk als auch den Behörden viel liegt, gewahrt. Die EKKJ hofft, mit diesem Bericht eine Grundlage für die notwendige und vor allem dringliche Diskussion zu liefern. Der Bericht geht an den Bundesrat, den National- und den Ständerat.
Quelle: Kommissionen des EDI – Bild: Fotolia