„Ich mach’s mir selbst!“ Kolumne des Baselbieter Schriftstellers Claude Lachat


Die HappyTimes-Kolumne des Schriftstellers Claude Lachat

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Ich will ein Selfie! Knips Dich doch wund und stell‘ es ins Netz! Ich kann Ihre Gedanken lesen. So einfach ist das Ganze jedoch nicht. Es gehört schon einiges dazu, sich angemessen unanständig in Szene zu setzten. Für all jene welche sich mit dieser neuzeitlichen Vorspiegelung noch nicht beschäftigt haben: ein Selfie ist ein Selbstportrait, festgehalten mit Bildaufnahmegerät oder ganz einfach: mit Handy.

Größtenteils stellt das Selfie eine absolut lächerliche Situation dar. Eine Art Selbst-Entweihung. Aber eben, die Dinger sind in. Jeder tut es, alle lachen darüber und viele schütteln verständnislos den Kopf. Ich frage mich dennoch, wieso diese IDAAB (im dümmsten Augenblick aufgenommen Bilder) derart der Renner sind. Wieso nicht – wie früher – irgendwen spontan fragen ob er ein Bild schiessen könne? Trauen wir wildfremden Menschen wirklich nicht mehr zu, grenzwertige Stillleben zu knipsen? Ich würde behaupten, hierfür sind viele in der Lage! Naja, was soll’s. Ich machs‘ mir selbst! Soll die ganze Welt teilhaben an meiner narzisstischen Darstellungskunst. Wen auch immer es interessiert. Niemanden! Garantiert!

Im Augenblick sind Gemälde von Hintern aller Grössen und Rundungen voll im Trend. Hintern! Ich fass‘ es nicht! Sehen Sie sich mit verrenkten Armen auf dem Boden knien und versuchen, Ihren Allerwertesten vorteilhaft zu erwischen? So was geht mir buchstäblich am A… vorbei. Meinen eigenen Hintern fotografieren! Und zur Krönung die ganze Bilderfetischisten-Gemeinde online teilhaben lassen. Nein! Mit mir nicht! Mach ich nicht, will ich nicht! Zudem wird mir jetzt klar weshalb ich keinen Ahnungslosen – oder ganz simpel einen Fremden hierfür zwangsverpflichten würde. Meine Hose öffentlich und zum Gaudi anderer Spanner runter lassen? NEIIIN! Sehen Sie? So einfach ist es nicht! Das mit dem Selfie.

Sie werden mir widersprechen. Mindestens in dem, dass es auch andere Körperpartien gäbe, die man bildlich festhalten könnte. Meinen Kopf, meine Nase. Wahrlich ein Anblick den jeder verzücken würde. Behaupte ich mal unter einem Anflug von Selfie-Täuschung. Immer unter der Prämisse,  dass meine Eigendarstellung mir, Ihnen gefällt. Hauptsächlich Ihnen! Interessiert mich nicht die Bohne wie der Lachat aussieht! Ich kann Ihre Gedanken immer noch lesen! Bedauerlich. Was kann ich unternehmen, damit Sie etwas Bebildertes von mir sehen möchten? Wie kann ich Sie verführen, mich zu erleiden? Nein? Kein Hintern, kein Ebenbild weckt Ihre voyeuristische Ader? Ich bin noch sicherer!

Selfies zu knipsen wird, je länger ich mir diese Pfundssache überlege, schwieriger als ich angenommen habe. Ein Bild wäre im nu geknipst. Geht ruck zuck! Egal, ob von hinten, von vorne, von oben oder von unten. Von ? Vergessen Sie das! Bloss, wen interessiert’s? Mir ist die Idee, mich selbst auseinander zu nehmen vergangen! Sie wollen nicht! Wir verstehen uns! Betrachten Sie diese Zeilen einfach als Versuch, Ihnen statt Bilder Buchstaben unterzujubeln. Ich habe Sie erwischt!

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