Rede des neuen Bundesrates Alain Berset anlässlich der Nacht der Nominationen der Solothurner Filmtage:
Sehr geehrte Damen und Herren
Es ist mir eine grosse Ehre, hier vor Ihnen sprechen zu dürfen. Und es ist mir auch eine wirkliche Freude, weil ich überzeugt bin, dass wir dabei sind, ein neues Kapitel im Schweizer Film aufzuschlagen.
Die Zeit der Grabenkämpfe in der Filmbranche ist – vorerst – vorbei. Die neuen Filmförderkonzepte des Bundes für die Jahre 2012-2015 müssen sich jetzt in der Praxis bewähren. [..] Nach turbulenten filmpolitischen Zeiten geht es nun also wieder um Inhalte, um Geschichten, um Ideen und Gefühle. Um die Leidenschaft für den Film.
Jetzt geht es wieder um den Film selbst. Um dieses wunderbare Leitmedium unseres Selbstverständnisses. Und auch wenn das klassische Kino vielleicht seinen Zenit überschritten hat – das bewegte Bild wird auch in unserer multimedialen und global vernetzten Welt die Mythen unseres Alltags schaffen.
Das haben die Solothurner Filmtage unter der neuen Leitung deutlich gemacht und die Nominationen für den Schweizer Filmpreis unterstreichen das. Und so wirkt auch die traditionelle Debatte – Kunst gegen Kommerz – steril und veraltet.
„Das bewegte Bild wird auch in unserer multimedialen und global vernetzten Welt die Mythen unseres Alltags schaffen.“
Alain Berset, Bundesrat
Diese Debatte hatte immer etwas künstliches. Die Unterscheidung von ernsthafter Kunst und unterhaltender Kunst war nie überzeugend: je rationaler man diese Unterscheidung definieren wollte, desto irrationaler wurde sie – denn mit der Zeit erweisen sich die grössten Künstler häufig auch als kommerziell erfolgreich: Wer ist heute der meistgespielte Dramatiker der Welt? Shakespeare. Welches ist die erfolgreichste Band der Geschichte? Wahrscheinlich die Beatles. Mozart und Bach sind auch Big Business; natürlich kann man behaupten, Salieri und Telemann seien viel besser gewesen – aber ob man damit viele Kenner überzeugt, ist eher fraglich.
Aktuelle Lieblingsfilme „James Bond“ und „Avatar“
Ich liebe Filme und gehe – zumindest für einen Politiker – häufig ins Kino, auch im neuen Jahr habe ich schon mehrere Filme gesehen. Als ich im Vorfeld der Bundesrats-Wahlen jedoch von mehreren Medien gefragt oder sollte ich besser sagen: abgefragt wurde, welche Filme mich denn in den letzten Jahren beeindruckt hätten, gab ich jeweils lapidar zur Antwort: „James Bond“ und „Avatar“.
Meine Standard-Antwort erwies sich als grosser Erfolg – die Journalisten waren gebührend schockiert, in den Kulturredaktionen machte man sich Sorgen um mein Niveau, und in der Filmszene sicher auch ein wenig.
Ich muss an dieser Stelle gestehen: Es war keine reine Provokation. Ich habe diese Filme auch gesehen. Aber es besteht trotzdem kein Grund zur Beunruhigung. [..]
Eine spannende Ausgangslage für gute Geschichten
Liebe Filmfreunde, wir sind erfolgreich und doch herrscht in unserem Land eine gewisse Unruhe, ein gewisses Unbehagen sogar. Das ist eine spannende Ausgangslage für gute Geschichten.
Und war es je anders? Vielleicht haben wir es einfach nicht gemerkt. Vielleicht waren wir alle überzeugt, dass ein so stabiles Land wie die Schweiz nicht gleichzeitig auch noch ein aufregendes Land sein kann.
Schon 1918 schrieb der deutsche Philosoph Ernst Bloch über die auch damals schon verschonte Schweiz: „Was geschieht und mehr noch, was kommt, ist von der Schweiz aus am empfindlichsten zu verspüren.“
In dieser Schweiz steckt sehr viel Welt
Stabil und aufregend? Das ist nur scheinbar ein Paradox – damals wie heute. Unser Land litt lange unter einer ziemlich dogmatischen Zwei-Welten-Lehre. Einerseits war hier das Leiden an der Kleinheit und an der fehlenden Sicht aufs Mittelmeer. Anderseits lockte die weite Welt mit grandiosen Versprechen aller Art.
Heute sind wir nüchterner und gleichzeitig selbstbewusster geworden. Wir betrachten unser Land und stellen fest:
In dieser Schweiz steckt sehr viel Welt.“
Quelle: Generalsekretariat GDI – Es gilt das gesprochene Wort.