Bericht zeigt: Erwachsene hören Kindern zu wenig zu – „Dass wir miteinander reden können, macht uns zu Menschen“

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Bern, 17.11.2011 – Kinder sollen mitreden können, wenn es um ihr Leben geht. Dafür müssen die Erwachsenen den Kindern zuhören, ihre Aussagen ernst nehmen und in Entscheidungen berücksichtigen. Kein Kinderspiel.

Im Gegenteil. Der heute veröffentlichte Bericht der Eidgenössischen Kommission für Kinder- und Jugendfragen zeigt klar: Das Recht auf Meinungsäusserung und Anhörung (Artikel 12 KRK) wird in der Praxis nur mangelhaft angewandt. Christina Weber Khan, Leiterin der Arbeitsgruppe „Kinderrechte“ der EKKJ, zieht deshalb folgendes Fazit: „Dranbleiben, damit den Kindern wirklich zugehört wird“!

Meinungsäusserung und Anhörung – ein Grundrecht jedes Individuums

Die EKKJ befasst sich mit dem Recht des Kindes auf Meinungsäusserung und Anhörung (Artikel 12), einem der Grundpfeiler der Konvention für die Rechte des Kindes (KRK). Kommunikation ist fast so wichtig wie das tägliche Brot, denn Sprache und Gehör sind wesentliche Bestandteile unserer Persönlichkeit. Daher ist Partizipation auch ein sogenanntes Persönlichkeitsrecht und steht jedem Individuum, und somit auch Kindern und Jugendlichen zu.

„Seit 200 Jahren, seit der Französischen Revolution, hat in der westlichen Welt jeder männliche Erwachsene – und zum Glück inzwischen auch jede Frau – den Anspruch auf rechtliches Gehör. Nun ist es höchste Zeit, dass dieses fundamentale Recht des Individuums auch für jedes Kind eine Selbstverständlichkeit wird“, so Pierre Maudet, Präsident der EKKJ.

An der Bieler Tagung 2010 hat sich die EKKJ zusammen mit 180 Teilnehmenden dieser Frage aus den verschiedensten Blickwinkeln genähert. Vorliegende Publikation „Kindern zuhören“ baut auf den Resultaten dieser Fachtagung auf. Nebst Expertenbeiträgen aus den Bereichen Recht, Psychologie und Politik, werden die Ergebnisse der Gruppendiskussionen, die Kernforderungen der EKKJ sowie die Meinungen zum Thema von Kindern und Jugendlichen vorgestellt.

Beteiligung stärkt Kinder und fördert die Bewältigung schwieriger Lebenslagen

Artikel 12 KRK kommt dann zum Tragen, wenn eine schwierige Situation besteht: Scheidung, Kindesschutz oder andere rechtliche Verfahren. Eine gute Umsetzung dieses Rechts führt dazu, dass die betroffenen Kinder die problematische Lage besser bewältigen können. Gerade für Kinder und Jugendliche sind die Erfahrung und das Erlernen eines „gesunden“ Umgangs mit Konflikt- und Krisensituationen besonders wichtig.

Aus der Psychologie wissen wir, dass eine sinnvolle, altersgerechte – also adäquate Beteiligung Kinder grundsätzlich stärkt. Sie fühlen sich nicht einfach „ausgeliefert“, sondern erleben sich als selbstwirksam und können dadurch unter diesen Umständen sogar an dieser Erfahrungen wachsen.

Kernforderungen der EKKJ

Für eine nachhaltige Umsetzung braucht es sowohl Verbesserungen der bestehenden Strukturen (gesetzlich, institutionell) wie auch kulturelle Veränderungen bei allen Institutionen, in der Politik und bei den Fachleuten, die mit Kindern zu tun haben. Dazu hat die Kommission sieben Kernforderungen formuliert. Drei davon sollen hier mit je einem Beispiel erwähnt werden.

  1. Partizipative Projekte fördern: Kinder und Jugendliche sollen bei Fragen, welche ihre nähere Umwelt betreffen (z.B. Quartier- oder Stadtentwicklung, Schule, Freizeiträume etc.) systematisch miteinbezogen werden.
  2. Information über Beteiligung und das Recht auf Gehör: Kinder und Jugendliche selbst, und alle Instanzen und Personen (Politik, Institutionen, Fachleute, Eltern, Behörden etc.), die mit ihnen zu tun haben, müssen für einen respektvollen Umgang mit Artikel 12 KRK sensibilisiert werden.
  3. Verbesserung bei der Beteiligung in Verfahren: Es braucht definierte Standards und Vorgehensabläufe für die Vorbereitung und die Durchführung des gesamten Verfahrens.

„Dass wir miteinander reden können, macht uns zu Menschen“
Karl Jaspers 

Fazit

„Je stärker und direkter das Leben eines Kindes betroffen ist, desto nötiger ist es, dass sich das Kind äussern kann und seine Meinung bei Entscheidungen berücksichtigt wird“, so Christina Weber Khan. Und in diesem Sinne plädiert sie für eine „Kultur der Beteiligung“, in der sich jung und alt, Frau und Mann, miteinander für eine solidarische Gesellschaft engagieren.

Und um bei der Philosophie zu bleiben zum Schluss noch ein Zitat von Karl Jaspers: „Dass wir miteinander reden können, macht uns zu Menschen“. Wir ergänzen: Wenn wir mit Kindern reden und ihnen zuhören können, werden wir zu menschlicheren Erwachsenen.

Quelle: Kommissionen des EDI
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