Bern, 28.03.2011 – Das Wirtschaftswachstum der Schweiz ist laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) weiterhin breit abgestützt. Zu diesem Schluss kommt der IWF in seinem jährlichen Länderexamen über die Schweiz. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) sollte in absehbarer Zeit zu einer geldpolitischen Straffung übergehen können, falls keine weiteren Störungen auftreten.
Die Rollen der Finanzmarktaufsicht (FINMA) und der SNB im Bereich der makro-prudentiellen Aufsicht sind weiter zu klären. Unterstützt werden Massnahmen zur Lösung der «Too big to fail»-Problematik.
Vom 18. bis 28. März 2011 hat eine Delegation des IWF das jährliche Länderexamen mit der Schweiz durchgeführt. Die regelmässige Beurteilung der Wirtschafts- und Finanzlage seiner Mitgliedstaaten im Rahmen der sog. Artikel-IV Konsultation ist ein Kernelement der wirtschaftspolitischen Überwachungstätigkeit des IWF.
Die wirtschaftliche Erholung der Schweiz im Nachgang zur Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/2009 ist nach Auffassung des IWF breit abgestützt. Die Binnennachfrage profitiert von niedrigen Zinsen, einer zunehmenden Beschäftigung sowie von anhaltender Zuwanderung. Trotz Frankenstärke haben aufgrund der zunehmenden globalen Nachfrage die Exporte zugenommen. Für das laufende Jahr rechnet der Währungsfonds mit einem Wachstum der schweizerischen Wirtschaft von 2,4 Prozent. Für 2012 wird – aufgrund nachlassender Exporte – ein Wachstum von 1,8 Prozent vorausgesagt. Unsicherheiten orten die Experten des IWF vor allem in geopolitischen Entwicklungen sowie möglichen weiteren Spannungen in der Eurozone.
Geldpolitische Straffung
Die Spezialisten des Währungsfonds gehen davon aus, dass die SNB in absehbarer Zeit zu einer Straffung der Geldpolitik übergehen kann, falls keine weiteren Störungen auftreten. Wie bei zahlreichen anderen Zentralbanken hat die Kapitaldeckung der SNB im Zuge der Finanzkrise abgenommen. Der IWF rät daher, der Stärkung des Eigenkapitals der SNB über die mittlere Frist Priorität einzuräumen. Künftige Gewinnausschüttungen an Kantone und Bund sind von der Fähigkeit der SNB abhängig zu machen, die Eigenkapitalbasis zu stärken.
Finanzpolitische Stabilität
Die solide Haushaltspolitik ist in der Einschätzung des IWF angesichts der Grösse des Finanzplatzes sowie der demografischen Entwicklung fortzusetzen. Die über die nächsten Jahre zu erwartende konjunkturell neutrale Fiskalposition wird als angemessen beurteilt. Die Massnahmen zur Sanierung der Invalidenversicherung müssten weitergehen. Schliesslich begrüsst der IWF die laufenden Arbeiten zur Stärkung der Finanzplanung und -statistik.
Nötige weitere Reformen in Finanzmarktaufsicht und -regulierung
Das Rahmenwerk für die makro-prudentielle Aufsicht des Finanzsektors ist in der Einschätzung des IWF zu stärken. Insbesondere sind die Rollen von FINMA und SNB in dieser Hinsicht weiter zu klären. Das EFD wird hierzu eine Arbeitsgruppe einberufen.
Die in der «Too big to fail»-Vernehmlassungsvorlage des Bundesrates vorgesehenen besonderen Eigenmittelanforderungen werden laut IWF entscheidend zur Begrenzung der Risiken systemrelevanter Banken sein. Die Experten des IWF warnen daher davor, die in der Vorlage enthaltenen «Rabattmöglichkeiten» zu grosszügig zu gewähren.
Im Hypothekarmarkt ortet der Währungsfonds eine gewisse Lockerung in den Kreditvergabestandards von Finanzinstituten. Zudem weist er darauf hin, dass die Zinssensitivität der Bankbilanzen aufgrund der Tendenz zu langfristigen Festhypotheken zugenommen hat. Der IWF unterstützt die Prüfung makro-prudentieller Massnahmen wie die Durchsetzung konservativerer Tragbarkeitsstandards oder zusätzliche Kapitalunterlegungen der Banken.
Die regelmässige Konsultation über die schweizerische Wirtschaftspolitik ist eine Pflicht, die sich aus der Mitgliedschaft der Schweiz im Währungsfonds ergibt. Die Delegation des IWF trifft sich jeweils mit der Bundesverwaltung, der FINMA, der SNB sowie mit Mitgliedern der Eidgenössischen Räte und Vertretern der Privatwirtschaft.