Automotor ohne Nockenwelle: Schweizer Forschende entwickeln elektrische Ventile – 20% weniger Verbrauch!

Schweizer FlexWork Motor ohne Nockenwelle spart 20% Treibstoff

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Die Zukunft gehört wohl dem Elektromotor, doch bis dahin wird immer noch fröhlich am Verbrennungsmotor getüfelt und gefeilt. Ein Schweizer Team hat nun einen Motor komplett ohne Nockenwelle erfunden, der schon seit fast einem Jahr auf einem Prüfstand erfolgreich vor sich hin knattert. Der Trick: Die Ventile werden nicht mehr per Nockenwelle, sondern elektrohydraulisch geöffnet. Wir erklären Ihnen, wie der Schweizer "FlexWork" Supermotor funktioniert und warum er 20% Treibstoff einspart: 

FlexWork Motor mit elektro-hydraulischem Ventiltrieb

Verbrennungsmotoren benötigen Ventile für die Zufuhr und Abfuhr der Gase. Bislang werden die Gaswechselventile von Viertaktmotoren über Nockenwellen angesteuert. Das Prinzip kurz erklärt: Eine Welle mit Nocken obendrauf (daher der Name) wird vom Motor per Kette oder Zahnrad angetrieben, dreht sich um die eigene Achse und drückt mit den Nocken die Motoventile auf um Benzingemisch in die Zylinder hineinzulassen, oder die verbrannten Abgase wieder heraus. Die Ventile schliessen sich dank starken Federn wieder, wenn sich die Welle weiter dreht. Trotz teilweise aufwändiger Zusatzmechanik bleibt die Flexibilität solcher Motoren begrenzt. An der Schweizer Empa wurde nun ein neuartiger, elektrohydraulisch betätigter Ventiltrieb entwickelt, der völlig freie Verstellbarkeit von Hub und Steuerzeiten ermöglicht, dabei gleichzeitig robust und preisgünstig zu realisieren ist. Dieser Ventiltrieb wurde auf einen Serienmotor aufgebaut und läuft bereits seit mehreren Monaten erfolgreich im Prüfstandbetrieb. In für Personenwagen typischen Betriebszutänden spart die neue Technik bis zu 20 Prozent Treibstoff!

Schweizer erfinden Supermotor ohne Nockenwelle

Der Ventiltrieb ist das „Atmungsorgan“ von Verbrennungsmotoren: Er steuert die Zufuhr von Frischluft und die Ableitung der Abgase, was als „Gaswechsel“ bezeichnet wird. Dazu werden heute in Serie ausschliesslich mechanisch angetriebene Nockenwellen eingesetzt, häufig ausgerüstet mit einer teilweise recht aufwändigen Zusatzmechanik. 

So funktioniert das elektrohydraulische Motorenventil

Patrik Soltic und sein Team an der Abteilung Fahrzeugsantriebssysteme der Empa erfanden und entwickelten, gemeinsam mit dem Hydraulikspezialisten Wolfgang Schneider, einen elektrohydraulischen Ventiltrieb, der gegenüber heutiger Serientechnik deutlich flexibler ist. Die Ventile werden hydraulisch betätigt und einzeln über eine Magnetspule elektrisch angesteuert. Sobald ein Steuerstrom fliesst, öffnet sich ein speziell ausgelegtes Hydraulikventil, welches erlaubt, dass Hydraulikflüssigkeit das Gaswechselventil in Millisekunden gegen eine Feder auf den gewünschten Hub öffnet. Wird der Strom abgeschaltet, schliesst sich das Gaswechselventil durch die Federkraft wieder und speist dabei den Grossteil der zum Öffnen benötigten hydraulischen Energie zurück in das Hydrauliksystem. Es geht also nur wenig Energie verloren.

20% Treibstoff-Ersparnis 

Das System erreicht über weite Betriebsbereiche einen deutlich geringeren Energiebedarf als nockenwellengetriebene Systeme. Zusammen mit einem optimierten Gaswechsel ist der Treibstoffverbrauch des Versuchs-Ottomotors in für Personenwagen typischen Tieflastastbereich deshalb rund 20 Prozent geringer als bei klassischer Laststeuerung mittels Drosselklappe in Kombination mit einer Ventilsteuerung über Nockenwellen.

Anpassungsfähig auf erneuerbare Treibstoffe

Durch die Wahl der Betriebsparameter können Öffnungs- und Schliesszeit sowie der Ventilhub für jeden Zylinder völlig frei eingestellt werden. Damit kann jeder Motorbetriebszustand von Arbeitszyklus zu Arbeitszyklus verändert werden, zum Beispiel durch eine intelligente Lastregelung, durch die Wahl der im Zylinder verbleibenden Restgasmenge (Abgasrückführung), oder durch eine für die Fahrer nicht bemerkbaren Deaktivierung nicht benötigter Zylinder, was wiederum Kraftstoff einspart.

Dies macht den Motor höchst anpassungsfähig für neue erneuerbare Treibstoffe: Sauerstoffhaltige Treibstoffe wie Methanol oder Ethanol erlauben zum Beispiel mehr Restgas im Zylinder zu belassen. Erdgas Biogas und aus Wind- und Solarstrom erzeugtes Syngas, besitzen erhöhte Klopffestigkeit: auch darauf kann der Ventiltrieb flexibel reagieren. Zudem lassen sich auch alternative Verbrennungskonzepte vergleichsweise einfach realisieren, zum Beispiel eine homogene Selbstzündung: ein Treibstoff-Luft Gemisch wird durch die Einstellung der korrekten Bedingungen gegen Verdichtungsende im richtigen Moment ohne Zündfunken selbst entflammt und praktisch schadstofffrei verbrannt.

Zylinderkopf ohne Öl – dadurch weniger Ölwechsel für den restlichen Motor

Eine weitere Spezialität des an der Empa aufgebauten Systems ist die Wahl der Hydraulikflüssigkeit: Anstatt wie üblich ein Öl zu verwenden, wird ein Wasser-Glykolgemisch, also Motorkühlwasser, eingesetzt. Dieses Medium eignet sich aufgrund der physikalischen Eigenschaften sehr gut für schnell schaltende hydraulische Systeme, da es sehr steif ist und folglich weniger Verluste verursacht. Dadurch wird der Zylinderkopf komplett ölfrei, was dazu führen kann, dass für den restlichen Motor ein einfacheres Motorenöl mit längeren Wechselintervallen eingesetzt werden kann.

Schweizer Supermotor knattert schon seit fast einem Jahr vor sich hin

Im Rahmen des vom BFE geförderten Projekts „FlexWork“ wurde der neue Ventiltrieb in einem mit Erdgas betriebenen – von einem VW-1.4l TSI-Motor abgeleiteten – Personenwagenmotor in Betrieb genommen. Die erforderlichen Bauteile fertigte die Versuchswerkstatt der Empa. Das Steuerungssystem für den Versuchsmotor entwickelten die Empa-Forscher selbst. Der Ventiltrieb läuft seit Oktober 2018 auf einem Motorprüfstand der Empa und hat bereits viele Millionen Betätigungen im befeuerten Motorbetrieb problemlos überstanden.

FlexWork Ventilsteuerung wird an Autohersteller verkauft

Die FlexWork-Ventilsteuerung kommt dabei mit preisgünstigen Komponenten aus. Es werden keine teuren, sehr schnell schaltenden Ventile und keine aufwändige Sensorik benötigt. Das Ventiltriebsystem wurde am 16. August der Fachwelt in der Motortechnischen Zeitschrift (MTZ) vorgestellt. Die Empa ist in Gesprächen mit Motorenherstellern für den Transfer dieser Technologie, die sich übrigens nicht nur für Verbrennungsmotoren, sondern auch für Kompressoren eignet.

Wer hat's erfunden? Richtig: Die Schweizer. 

FlexWork Motor ohne Nockenwelle
Projektleiter Patrik Soltic (mitte) mit seinen Kollegen Andyn Omanovic und Norbert Zsiga vor einem Modell der Ventilsteuerung FlexWork. Bild: Empa

Quelle: EMPA Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt
Bilder: © EMPA

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