Die HappyTimes-Kolumne des Baselbieter Schriftstellers Claude Lachat.
Oh Tannenbaum…
Kaum sind die letzten Schoggihasen verputzt, klingelt es wieder hell und heilig von Tannen aus aller Welt. Das Fällen von Weihnachtsbäumen hat in so mancher Familie Tradition. Mit der geschärften Axt über der Schulter und dem strahlenden Buben an der Hand geht’s ab in den dunklen Wald. Männlich, würde so mancher Zeitgenosse bemerken. Da stolpert dann der McGyver mit Bub ungelenk durchs Dickicht, sucht die perfekte Tanne und wenn’s gut kommt auch noch den Buben der sich verlaufen hat. Ich darf gar nicht daran denken wie viele Bürolisten im Karohemd, in Kampfstiefeln und getarntem Rucksack, gefüllt mit allerlei Utensilien zum Überleben, eine Tanne nach der anderen zerhacken bis das Ding endlich fällt.
Andächtig wird die edle Spitze studiert und über den Umfang des Stammes gestaunt. Gell, lieber Bürohengst, so ein Bäumchen kann durchaus stämmig sein. Aber nicht mit mir, denkt sich da der Bleistiftspitzer und haut den Stamm solange zusammen bis er in den Weihnachtsbaumständer in der warmen Stube passt. Es wird geschlagen und gehobelt was das Zeug’s hält. Manchmal, ja manchmal entsteht im Eifer des Gefechts ein Zahnstocher mit Baum obendrauf. Aber schön ist sie! Die Tanne. Die Schönste bislang in den letzten Jahren! Herrlich gerade mit krummen Ästen und Nadeln die jede Glocke streiken lassen beim Gedanken, daran hängen zu müssen. Die Stiefel versinken im tiefen Morast aber nein, es muss ja ein Nadelbaum sein der mitten, aber so was von mitten im Wald steht!
Dieses Jahr wollen wir einen grossen Baum! Einen mit mindestens drei Metern, hat Mutti auf den Tagesbefehl geschrieben. Unser Bürohengst sattelt die widerspenstige Tanne und schleift sie mit Gebrüll durchs Geäst. Der Bub schreit weil ihm die Tanne eins auswischt. Der Vater wimmert weil ihn die Dornen wie Nadeln die zarten Hände malträtieren. Halleluja, es weihnachtet schon sehr! Am Ende der Plagerei sieht der Besen aus wie wenn ihn ein Tornado zerzaust hätte. Der Bub schreit wieder, er will einen schönen Baum. Lust auf das mitgebrachte Salamettli hat er auch nicht mehr, so wäre er wenigstens still. Die Karre ist nicht für Bäume gedacht, die sich die Spitze mit den Wolken teilt. Also haut der Bürostratege kurzerhand den Stamm zu Sägemehl und schiebt das mittlerweile arg geschundene Tännlein in den Kofferraum. Die paar geknickten Äste fallen nicht mehr auf. Der Bub will jetzt doch ein Salamettli.
Zufrieden, dreckig, erschöpft und mit zerrissenen Jeans klemmt der taktische Baumkiller die verhunzten Äste unter den Arm und staunt in der geräumigen Stube, wie gross ein Tannenbaumhalter sein kann. Oder wie klein das Pflänzchen, welches er vor Dilettanten, vor Baumschändern gerettet hat! Der Bub hustet sich krumm weil ihm das Salamettli im Hals stecken bleibt und Mutti schimpft, weil sie zweihundert neue Kugeln gepostet hat. Und der Baum? Der hätte sich gewünscht, noch tiefer im Wald gestanden zu haben und pfeift auf Lametta, Kerzen und Ständer.
Und Sie? Haben Sie Ihre Axt geschliffen?