Claude Lachat – Kolumne des Baselbieter Schriftstellers: „Kosovo – die Schweiz im Balkan“


Die HappyTimes-Kolumne des Baselbieter Schriftstellers Claude Lachat.

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Kosovo – die Schweiz im Balkan

Willkommen im Land von Audi, Mercedes und BMW. Wer in Gjilan, Pristina oder woanders seine Runden dreht, sieht im Sommer mehr Schweizer Nummernschilder als in der Schweiz. Alle Albaner und Kosovaren verbringen ihre Ferien im eigenen Land, bei ihrer Familie. Und ich der Schweizer, mitten drin. Nach sechzehn Stunden Fahrt in den Kosovo habe ich begriffen, weshalb wir nicht mit einem Fiat Panda angetreten sind. Trotzdem freue ich mich über mein Rückflugticket. Müde vom Rasen auf der Bahn sehne ich mich nach einer Dusche. Still und grinsend starrt mich die Brause an. Hey, was wotsch du Schwiizr? Das Wasser fliesst erst nach Stunden wieder. Willkommen im Balkan. Dass mich meine Gastfamilie wie ein Familienmitglied aufgenommen hat, entschädigt alles Wasser der Welt. Selten habe ich derart herzliche Menschen getroffen, ich bin überwältigt.

Mein Aufenthalt hat sich herumgesprochen. Ich bin zu Hause angekommen. Im Strassencafé trinke ich morgens um zehn den ersten Schnaps. Isch guet für Seel, weisch Mann. Mir wärmt es den Kopf und das Herz, denn ein geistig behinderter Kosovare gesellt sich zu uns. Viele stecken ihm eine Note zu und lachen mit ihm. Geld, welches der Staat nicht fliessen lässt, wird von Kosovaren die im Ausland leben gespendet. Chapeau! Trotzdem irritiert mich die marode Infrastruktur. Es fehlt an vielem. Auch an Velos oder Mopeds. Der anspruchsvolle Verkehr lässt so oder so nur Autos zu. Polizei? Fehlanzeige. Weisch, wenn seich machsch uf Stross wirdsch gschleglet. Aha. Auf die Schnauze? Nei Mann, denn liegt dini Auto uf Dach. Als Fussgänger bist du immer nahe dran, einen Michelin-Reifen tätowiert zu bekommen. Ich beneide die Lässigkeit und vor allem die Gastfreundschaft. Leider erfahren wir diese zu wenig, denn wer reist schon in den Kosovo? Oder sind Sie Albaner? Ausreisen wird schwierig, dafür sorgen Allianzen die es bislang erfolgreich verhindert haben, den Kosovo als unabhängig zu akzeptieren. Eine Tragödie sondergleichen, wenn ich daran denke, dass begabte Menschen wie die junge Englischstudentin Vjosa nicht mehr Wissen und Erfahrung ins eigene Land bringen kann, weil sie in einem freien Staat gefangen ist.

Ich reise und staune ab der grandiosen Natur, die der Schweiz mit nichts hinterherhinkt. Berge und Seen bis zum abwinken. Es existiert noch kein Tourismus und ist momentan ein Paradies hinter Schloss und Riegel. Einzig neue Autobahnen lassen darauf schliessen, dass der wirtschaftliche Aufschwung in Angriff genommen wird. Gut, das Verständnis für Verkehrstafeln muss dann neu diskutiert werden. Dass der emotionale Konflikt im vom Balkankrieg gebeutelten Land auch noch Zeit benötigt, hört man immer wieder zwischen den Zeilen. Das Modell Schweiz könnte helfen, einander zu akzeptieren. Ihr seid alle gleich bis auf den Dialekt. Mir geht es auch so: ich spreche Baseldytsch. Helfen könnte uns hingegen das Modell Kosovo, was das Verständnis für die Religion angeht. Hier steht die Mosche neben der katholischen und orthodoxen Kirche und keiner motzt. Weisch Mann, isch mir gliich öb du Krüz schlosch. Herrlich dieses verständige, freie Land. Damit meine ich nicht nur die geistigen Getränke die mich um den Schlaf gebracht haben. Weisch Mann, hesch immr Sunntig do, isch Ferie. Ich werde wieder in den Kosovo reisen und rate der lieben EU, dampf zu machen, denn es lohnt sich. Getrauen Sie sich! Kommen Sie mit?

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