Sie denken jetzt bestimmt: „Oh nein, jetzt fangen Frauen auch schon an über Fussball zu reden? Das geht doch gar nicht!“ Und wieso nicht?! Glaubt mir, es gibt immer mehr Frauen, die sich zu leidenschaflichen Fussballfans bekennen. Nun ja, vielleicht erkennen wir nicht sofort die beste Technik der Spieler oder kennen uns nicht mit allen Regeln aus (wie geht das mit der Offside-Regel?) – aber in diesem Punkt geht es doch auch ein paar Schiedsrichtern an dieser WM nicht besser als uns.
Und im Gegensatz zu dem, was viele glauben, gilt unser Interesse nicht nur den attraktiven Fussballern. Obwohl wir den „Shirt-Tausch“ am Ende des Spiels immer sehr herzlich begrüssen. (Ach wie herrlich kann Fussball sein.) Nichts desto trotz, können sich auch weibliche Fans plötzlich von der netten Schmuse- in schreiende und fauchende Wildkatzen verwandeln. Glaubt mir, ich habe das miterlebt! Ich will aus dem Grund hier nicht über die Unterschiede zwischen Frauen-und Männerfans schreiben – weil es keine Unterschiede gibt! Hier geht es nur um die allgemeine Leidenschaft, die dieser Event immer wieder auslöst.
Da versammeln sich verschiedenste Leute vor einem Bildschirm und freuen sich und leiden zusammen. Wildfremde Menschen verschmelzen zu einer vereinten Gruppe. Einzelgänger, die sonst alleine ihr Feierabendbier geniessen müssen, gesellen sich Fan-Gruppen an und dürfen mitreden. In diesem Moment sind wir alle gleich. Wir haben ein Motiv, das uns alle verbindet und verbündet. Sogar mein schüchterner Nachbar, der sonst nicht mehr als ein knappes „Hallo“ herausbringt, beginnt mit mir über Fussball zu reden. Zu meinem Erstaunen merke ich, über was für einen grossen Wortschatz er offenbar verfügt. Plötzlich ist es egal wer oder was Du bist, in dieser Zeit gehören wir alle zusammen, weil wir uns alle für das Gleiche begeistern. Manchmal ist es sogar egal ob wir für die gleiche Mannschaft jubeln, es ist ein gemeinsames Abenteuer mit viel Herz und viel Gefühl.
Diese Leidenschaft und dieser Enthusiasmus verbindet uns alle, Menschen zeigen chaotische Gefühlsausbrüche – oder wann sonst sehen wir schon mal Männer die weinen, vor Freude oder Frust, oder plötzlich ihre Hüfte kreisen lassen als wären sie alle über Nacht latinische Salsatänzer geworden und sich nicht mal schämen dafür? Schliesslich machen das die sonst so stolzen Fussballer ja auch, also ist es in diesem Moment völlig in Ordnung. Wir dürfen sogar auf den Stassen feiern und tuten, mit oder ohne Vuvuzelas, und die wenigen die sich nicht für Fussball begeistern können, zeigen manchmal sogar Verständnis und lächeln uns freundlich zu. Wann gibt es sonst so etwas?! Also frage ich mich nun: Müssen wir uns jedes Jahr eine Fussball-WM wünschen, um diese Leidenschaft und diese positive Stimmung beibehalten zu können? Geht das sonst nicht auch?
Liebe Freunde, bewahrt doch dieses Gefühl und diese Zusammengehörigkeit das ganze Jahr durch, und zeigt die Leidenschaft und Begeisterung die in Euch steckt. Man fühlt sich gleich viel lebendiger und manchmal sogar weniger alleine.
Und hoffentlich bleibt auch mein Nachbar nach dieser Fussball-WM so redselig wie jetzt 🙂
Anna’s WeltAnna M. gibt in Ihrer Kolumne „Anna’s Welt“ ihren Senf zu allem. Als in der Schweiz geborene Italienerin kämpft sie mit alltäglichem wie Traum-Männern, Katze im Sugo und der Fahrprüfung für Cinquecentos und lässt ihrer Meinung zu Trivialem und Tiefgründigem freien Lauf. Anna M. ist schön, reich und jung und wird mit Freuden jedes Jahr wieder zwanzig. Sie lebt in Frauenfeld und arbeitet mit Kindern und Kindsköpfen. |